Es ist Herbst, das merkt man als Leser zunächst einmal an der nahenden Frankfurter Buchmesse (nächste Woche) und natürlich auch am Wetter. Temperaturen unter 10°C, undichte Turnschuhe bei Dauerregen und Gehwege, die durch das ganze Laub verdeckt werden, welches von den Bäumen abgeworfen wird. Das ist die beste Gelegenheit, endlich die Heizung aufzudrehen und sich mit einem Buch auf die Couch zu legen. Damit dir dabei nicht der Lesestoff ausgeht, haben Kerstin von Literaturchaos , Thomas von Tommi und die Schmöker, Marina von Nordbreze und so., Tobi von Lesestunden und ich 5 Bücher für dich herausgesucht, die sich besonders gut bei Herbstwetter machen:
1. Die Walfängerin von Ines Thorn
Sylt im 18. Jahrhundert. Die Insel hatte nichts mit der noblen Urlaubsinsel gemein, die wir heute kennen. Vielmehr kämpfte die Bevölkerung tagtäglich ums Überleben. Obst und Gemüse gedieh in diesem rauen Klima schlecht und es gab nicht genug Brennholz. Die meist bitterarmen Einwohner waren krank und mangelernährt. Die Männer waren gezwungen, die Frühjahrs- und Sommermonate auf einem Schiff anzuheuern und damit das Überleben der Familie zu sichern. Die Frauen hingegen mussten jeden Herbst, wenn die Männer von der Heuer zurückkamen, damit rechnen, fortan Witwe zu sein.
In dieser unwirtlichen Zeit lebt unsere Heldin Maren, einziges, spätes und geliebtes Kind ihrer Eltern. Maren ist 17, als sie von Rune, dem reichsten Kapitän und Oberhaupt der Insel, einen Heiratsantrag bekommt – und diesen ablehnt. Rune akzeptiert dies, vergisst aber nicht. Als kurz darauf eine Sturmflut die komplette Existenz von Marens Familie vernichtet, ist es an ihr, bei Rune um Hilfe zu bitten. Diese wird ihr gewährt, allerdings zu einem hohen Preis: Sie muss den Geldbetrag, den Rune ihr vorstreckt, auf seinem Walfangschiff abarbeiten….
War schon das tägliche harte und entbehrungsreiche Leben auf Sylt sehr eindringlich und bildlich beschrieben, meint man nun als Leser, das Schiff unter sich schwanken zu spüren. In einem wunderbaren Schreibstil entführt uns die Autorin auf Runes Walfangschiff, auf dem man nicht zimperlich miteinander umgeht und keine Rücksicht auf Maren nimmt. Auf das einige unvorhergesehene Dinge passieren und auf dem Maren sich fast selbst aufgibt. Das alles vor der Kulisse der tosenden Nordsee macht diesen Roman zu einem spannenden Pageturner.
Kerstin von Literaturchaos empfiehlt dir diesen historischen Roman.
2. In den Straßen die Wut von Ryan Gattis
29.04.1992: In Los Angeles werden die vier der Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King angeklagten Polizisten freigesprochen. Das Urteil führt unter den Einwohnen von Los Angeles zur Empörung und einem Gewaltausbruch mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen, an deren Ende 52 Todesfälle und Tausende Verletzte zu beklagen sind. Es entstand ein Sachschaden von etwa einer Milliarde US-Dollar.
Ryan Gattis führt den Leser in seinem genauestens recherchierten Buch mitten hinein in den Hexenkessel der Unruhen. Anhand des Schicksals von siebzehn beispielhaften Charakteren der Bevölkerung von Los Angeles zeigt der Autor was es bedeutet, in einer Stadt zu leben, in der die meisten Mitglieder der farbigen Bevölkerung keine Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg haben und sich daher in Gangs zusammenschließen.
Aus der Ich-Perspektive von Gang-Mitgliedern, Krankenschwestern, Feuerwehrleuten und Polizisten werden die Tage der „Los-Angeles-Riots“ für den Leser unmittelbar erlebbar.
„Es gibt keine Regeln mehr. Keine. Nicht in dieser Lage, bei diesen Ausschreitungen. Mir läuft ein Schauer über den Rücken als mir klar wird, dass jeder verdammte Bulle der Stadt anderweitig beschäftigt ist, und das bedeutet, die Jagdsaison ist eröffnet auf jeden Scheißidioten, der jemals mit irgendwas davongekommen ist.“ (Seite 31)
Auf dem Cover des Romans steht zwar „Thriller“, allerdings hat das Buch in meinen Augen sehr viel mehr Gemeinsamkeiten mit einer Reportage oder Dokumentation. Daher empfehle ich das Buch auch Lesern, die normalerweise keine Krimis oder Thriller lesen.
Aufgrund der in diesem Jahr in den USA wieder aufgekommenen Diskussion um Gewalt gegenüber Farbigen ein Buch von trauriger Aktualität. HBO hat sich bereits die Fernsehrechte für den Stoff gesichert und möchte hieraus eine Serie machen.
Dieser Thriller wird dir empfohlen von Thomas vom Blog Tommi und die Schmöker.
3. 180 Grad Meer von Sarah Kuttner
An nasskalten, grauen Regentagen braucht man selbstverständlich ein nasskaltes, graues Buch. Genau dies findet man mit „180 Grad Meer“ von Sarah Kuttner. Das ist überhaupt nicht so negativ gemeint, wie es vielleicht klingen mag. Nass, kalt und grau ist schließlich auch das Meer selbst und in einem solchen Zustand wesentlich interessanter als wellenlos und türkisblau.
Mit dem Meer, England, der Queen und dem ewigen Problem der Selbstfindung kann man bei mir erstmal nichts falsch machen. Und Sarah Kuttner macht nichts falsch, wenn sie ihre Protagonistin Jule von Berlin, über dem das ewige Fragezeichen der Endzwanziger schwebt, nach London und von dort weiter ans Meer schickt. Jule unternimmt einen Versuch herauszufinden, was dieses große Ganze überhaupt soll. Oder das kleine Naheliegende. Auf irgendetwas davon muss es schließlich Antworten geben. Deswegen sitzt Jule also am Strand mit Hund und starrt auf eben jenes Meer, was meiner Meinung nach eine Tätigkeit ist, die man unbedingt an verregneten Tagen durchführen sollte. Auch, wenn ich das selbst noch nie gemacht habe. Ich möchte schließlich nicht, dass ich oder mein Buch nass werden.
Wen das aber nicht schreckt, wer auf der Suche nach einem wohlig-beklemmenden Gefühl beim Lesen ist und wen die Sehnsucht zum Meer treibt, der wird mit „180 Grad Meer“ glücklich werden. An nasskalten, grauen Regentagen und darüber hinaus.
Die Empfehlung von Sarah Kuttners jüngsten Buch stammt von Marina von Nordbreze und so.
4. Ein Leben von Guy de Maupassant
Vielleser sind selten über schlechtes Wetter betrübt und besonders dann nicht, wenn man ein Buch wie „Ein Leben“ von Guy de Maupassant in Händen hält. Der einstige Schüler von Gustave Flaubert ist aufgrund seiner Novellen in die Weltliteratur eingegangen und weniger für seine Romane berühmt. Der Roman „Ein Leben“ enthält Episoden, die einigen seiner Novellen entsprechen, in Erinnerung ist mir das Buch aber wegen seiner schönen Darstellung der Landschaft und Natur geblieben, die Maupassant geschickt als Spiegel für seine Charaktere nutzt.
Jeanne, eine junge Frau, kehrt aus der behüteten Klosterschule in ihr Elternhaus zurück, um dort ihre weiteren Schritte im Leben zu gehen, wobei sie sich nach der Erfüllung romantischer Liebe sehnt. Ihr Leben ist schließlich ein Prozess der Desillusionierung und Stück für Stück zeigt Maupassant, wie die naive und weltfremd erzogene Jeanne mit der schmucklosen und wenig nachsichtigen Realität konfrontiert wird. Es ist faszinierend diesen einen Lebensweg zu verfolgen, der realistisch und echt anmutet. Genauso wie die Charaktere, die darin vorkommen und deren Wesenszüge und Eigenschaften voll von Licht und Schatten sind. Maupassant war ein scharfer Beobachter und auch in diesem Roman schafft er es meisterhaft die Feinheiten des menschlichen Innenlebens einzufangen und oft auch gnadenlos ans Tageslicht zu zerren.
Die Geschichte spielt in der wunderschönen Normandie, auf dem Anwesen Les Peuples, direkt am Meer mit eben der starken Wirkung, welche die Natur dieser Küstenregion mit sich bringt. So verwundert es nicht, dass der mare Verlag diesen Roman für sich entdeckt und als sehr schmucke Ausgabe neu aufgelegt hat. In gewohnt hoher Qualität hinsichtlich Übersetzung, aber auch mit seinem Schuber, dem leicht schimmernden Leineneinband und dem wertigen Papier bekommt man hier ein echtes Schmuckstück. Es gibt kaum etwas Genussvolleres, als sich gemütlich, vor der warmen Heizung, mit einer Tasse Tee und dem Rauschen des Regens im Hintergrund nach Les Peuples zu begeben und dort bald im Sonnenschein, bald im kühlen Wind des Atlantiks die Höhen und Tiefen eines Menschenlebens zu beobachten.
Diesen Klassiker empfiehlt dir Tobi von lesestunden.de für deine Sonntagnachmittage auf dem Sofa.
5. Die Knochenuhren von David Mitchell
David Mitchell ist ein Meister. Ein Meister in der Verquickung unterschiedlichster Literaturgenre und auch ein Meister der besonderen Einfälle. Mit dem 800 Seiten starken Roman „Die Knochenuhren“ wirst du für einige verregnete Herbstnachmittage deine Freude haben.
Die Knochenuhren von David Mitchell
Das Leben von Holly Sykes bildet den Rahmen des Romans. David Mitchell steigt 1984 inmitten der großen Hitzewelle in Großbritannien ein. Holly ist 14 Jahre und ein typischer Teenager: Bockig, gelangweilt und unerträglich verliebt. Sie haut von daheim ab, wie das Teenager nun mal so machen. Holly gerät dann in eine verzwickte Geschichte mit höheren Mächten, Vampiren, Zeitreisenden und Mentalisten. „Die Knochenuhren“ ist für mich die Achterbahnfahrt unter den Romanen.
„Die Knochenuhren“ wird empfohlen von Janine, der Bloggerin hinter diesem Blog.
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